Harald Noethen arbeitet seit 40 Jahren meist
ohne starre Bildkonzeption mit Betonung des wesentlichen Ausdrucks
seiner selbst im Bildgeschehen.
Seit etwa 20 Jahren zeichnet und malt er
beidhändig direkt, schnell und ergebnisoffen.
Um den Arbeitsvorgang im Einzelnen optimal
steuern zu können, beginnt er z.B. mit dynamischen freien Linien, oft
in dunklen Farbtönen. Danach verbindet er die Linienvorgabe durch
Farbflächen nass in nass. Kontinuierlich überprüft er Farbtöne,
Linienstärken, Größen, Richtungen etc. auf ihren dynamisch-organischen
Bildausdruck.
Durch seine nicht synchrone und nicht
symmetrische beidhändige Arbeitsweise erlebt er den Bildprozess direkt
und unmittelbar. Seine leidenschaftliche und schnelle Vorgehensweise
ergibt daraufhin ein lebendiges, ganzheitliches Gebilde. Diese zarten
bis wilden Malereien und Zeichnungen entstehen in A4-Größe genauso wie
auf 2 mal 4 Meter großen Formaten.
Aus dem Malprozess heraus aufgrund von
Erfahrung und Instinkt gewonnene Bildgedanken entspringen seiner
leidenschaftlichen und existentiellen Wahrnehmungslust und
Wiedergabelust.
Ob gegenständlich oder abstrakt, meist
entsteht eine Serie von neuartigen Bildern zwischen Melancholie und
Ekstase.
Von Anfang an findet eine tagebuchartige
Entwicklung statt, die sein Selbst, Aussehen und Befinden durch
Zeichnung, Malerei, später auch Plastik erfasst.
In den 70iger Jahren geht es hauptsächlich
um die realistische Darstellung seiner äußeren Gestalt in Portrait und
Figur, schon früh gepaart mit dem Ausdruck des momentanen Befindens.
In den 80iger Jahren liegt der Schwerpunkt
deutlich auf der expressiven Gestaltung. Die wesentlichen Bildelemente
wie Linien (Duktus, Richtungen, Dynamik) und wenige Farbbetonungen
dienen dazu, die Gefühle wie Einsamkeit, Sehnsucht, Protest, Extase
und Schmerz zum Ausdruck zu bringen.
Mit Beginn der 90iger Jahre sieht er sich,
zunehmend in sehr reduzierter Form dargestellt als
Identifikationsmöglichkeit für den Betrachter. Seither geht es um die
freie Erfindung seines Selbst, nicht mehr um dessen Abbildung. Damit
gewinnt er ein immer größeres Gestaltungsreservoir, so dass er ab
Mitte der 90iger Jahre in jedem Gegenstand, Naturmotiv, jeder
Abstraktion und sogar in jeder Fläche, Linie oder Punkt sichtbar
werden kann. Diese Entwicklung gibt ihm alle
Bildgestaltungsfreiheiten, die er benötigt, um seine Bildformen zu
schaffen.
Joachim Schöne |